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AutorenbildMarco Kerp

Der Wasserschlauch (Utricularia) – Eine einzigartige fleischfressende Pflanze

Aktualisiert: vor 3 Tagen

Die Gattung Utricularia (Wasserschläuche) umfasst etwa 250 bemerkenswerte Pflanzenarten. Sie ist die größte Gattung aller fleischfressenden Pflanzen. Obwohl die verschiedenen Arten sehr nah verwandt sind, unterscheiden sie sich im Erscheinungsbild teils drastisch. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie ein spezielles Fangorgan entwickelt haben, mit dem sie in der Lage sind, kleine Tiere blitzschnell zu fangen. Der typischen Form dieser Fangapparate verdanken sie ihren lateinischen und deutschen Namen. „Utriculus“ bedeutet „kleiner Schlauch“ und bezieht sich auf die Ähnlichkeit zu antiken Wasser- oder Weinschläuchen.



Der verkannte Wasserschlauch utricularia australis mit Blatt, Spross, Blüte und Habitus gemalt mit Aquarelle
Der verkannte Wasserschlauch mit Blüte und Fangblasen

Vorkommen und Wuchs der Utricularia

 

Verkannter Wasserschlauch Utricularia australis Blüten in einem See
Die Blüten des Verkannten Wasserschlauchs in einem See

Die Pflanze, mit der wir uns heute befassen, ist der verkannte Wasserschlauch (Utricularia australis), eine der sieben in Mitteleuropa heimischen Wasserschläuche. In Deutschland sind alle diese Arten vom Aussterben bedroht. Die sieben heimischen Wasserschläuche ähneln sich in ihrem Aussehen stark und sind schwer zu unterscheiden. Sie wachsen als freischwimmende Wasserpflanzen ohne Wurzeln nahe der Wasseroberfläche. Nur die Blüten werden zwischen Juni und August über der Wasseroberfläche gebildet. Das erreichen die Pflanzen durch Luftgewebe in den Blütenstielen, die für den nötigen Auftrieb sorgen.




 

Unter Wasser ist der Aufbau der Pflanzen relativ komplex. Jede Pflanze bildet mehrere 10 bis 150 cm lange Sprosse, ohne dass Wurzeln vorhanden sind. Die Blätter sind sehr fein, nadelförmig und oft geteilt. An den einzelnen Fiederblättern finden sich 8 bis 75 verschieden große, hoch entwickelte Fangblasen; je weiter entfernt vom Spross, desto kleiner werden die Blasen. Diese Fangblasen können bis zu 3 mm groß werden. Sie sind eine Anpassung an nährstoffarme Standorte. Der verkannte Wasserschlauch kommt jedoch auch in nährstoffreicheren Gewässern vor, wobei der pH-Wert sowohl basisch als auch sauer sein kann, wie etwa in Mooren.



Pigment Zeichnung des Verkannten Wasserschlauchs Utricularia australis vom Habitus
Der Habitus des verkannten Wasserschlauchs mit den Sprossen unter Wasser


Als die Wasserschläuche entdeckt wurden, ging man zunächst davon aus, dass die Fangblasen kleine Auftriebskörper seien, die die Pflanzen an der Wasseroberfläche halten. Die wenigen Blüten stehen in Trauben und sind Lippenblüten, die hauptsächlich von Schwebfliegen besucht werden. Samen werden nur sehr selten gebildet, und wenn dies geschieht – was bislang nur in China und Japan beobachtet wurde – sind die Samen schwimmfähig und besitzen einen Auftriebskörper. Im Herbst bildet die Pflanze Überwinterungsknospen, sogenannte Turionen, die nach dem Absterben der Pflanze auf den Boden des Gewässers sinken und dort den Winter überdauern können. In Australien lebende Wasserschlaucharten nutzen ähnliche Überdauerungsknospen, um Trockenzeiten zu überleben.

 

Fallenmechanismus der fleischfressende Pflanze

 

Die kleinen Fangapparate des verkannten Wasserschlauchs dienen dazu, kleine Wassertiere wie Ruderfußkrebse oder Daphnien zu fangen. Gelegentlich werden auch größere Tiere wie Mückenlarven gefangen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass Algen und andere Schwebstoffe als „vegetarische Beikost“ mit gefangen werden. Diese alternative Ernährungsweise liefert den Pflanzen Stickstoff und Phosphor, die in den sonst nährstoffarmen Gewässern, in denen sie vorkommen, oft knapp sind.



Verkannter Wasserschlauch Utricularia australis mit Fangblasen am Blatt
Ein Blatt eines Wasserschlauches mit Fangblasen

 

Der Fangmechanismus der Wasserschläuche wird als „Saugfalle“ bezeichnet. Die Fangblase erzeugt einen Unterdruck, der es der Pflanze ermöglicht, ein vorbeischwimmendes Tier bei Berührung der Falle blitzschnell einzusaugen. Dieser Vorgang gehört zu den schnellsten Bewegungen im Pflanzenreich und dauert nur 2 bis 15 Millisekunden. Die Fangblase hat am Eingang eine Klappe, die den Unterdruck – der bis zu 0,14 Bar niedriger als der Umgebungsdruck ist – aufrechterhält.



Fangblase Zeichnung des Verkannten Wasserschlauchs im Querschnitt
Aufbau der Fangblasen im Querschnitt und von vorne. Bei der rechten Blase sieht man die Wölbung die durch den Unterdruck entsteht

Drüsen auf der Außen- und Innenseite der Blasen übernehmen verschiedene Aufgaben. Drüsen auf der Innenseite, die als Ionenpumpen wirken, befördern Ionen nach außen. Dadurch wird osmotischer Druck erzeugt, und das Wasser wird aus der Blase gepumpt, was den Unterdruck aufbaut. Dieselben Drüsen auf der Innenseite scheiden auch Verdauungsenzyme aus, um die Beute zu zersetzen und die freigesetzten Nährstoffe aufzunehmen. Andere Drüsen auf der Außenseite produzieren zuckerhaltige Lösungen, die als zusätzlicher Lockstoff für Beutetiere dienen.



fangblase eines verkannten Wasserschlauches utricularia australis mit einer gefangenen Daphnie
Eine abgetrennte Fangblase mit einer Daphnie als Beute

Die Falle wird durch Berührung der Borsten am Eingang ausgelöst. Diese Borsten wirken wie Hebel, die die Klappe am Eingang leicht öffnen und durch den plötzlichen Druckausgleich die gesamte Falle aufreißen. Nachdem die Falle ausgelöst wurde, beginnt sofort die Verdauung der gefangenen Beute, und die Blase wird erneut mit Wasser ausgepumpt, um den Unterdruck wieder aufzubauen. Der Auspumpvorgang dauert etwa 0,2 bis 2 Stunden. Eine einzelne Fangblase ist in der Lage, mehrere Tiere hintereinander zu fangen, ohne Schaden zu nehmen.

 

Andere Wasserschlauch Arten Wasserschlauch Utricularia fleischfressende Pflanze

Wie bereits erwähnt, ist die Gattung der Wasserschläuche sehr artenreich, und es haben sich viele verschiedene Pflanzenformen entwickelt. Die Hauptverbreitung der Gattung liegt in Südamerika und Australien. Als fleischfressende Pflanzen sind sie an nährstoffarme Standorte angepasst. Bei den hierzulande vorkommenden Wasserschläuchen sind die Fangblasen teilumgewandelte Blätter. Bei anderen Wasserschlaucharten gibt es jedoch auch umgewandelte Sprossachsen, Blüten oder sogar Wurzeln.

Wasserschlauch Utricularia fleischfressende Pflanze

Die heimischen Wasserschläuche leben in stehenden oder langsam fließenden Gewässern. Es gibt jedoch auch sogenannte Rheophyten, die in extrem schnell fließenden Gewässern vorkommen, wie Utricularia neottioides, die auf dem Grund von schnell fließenden Gewässern in Südamerika wächst. Außerdem gibt es viele terrestrisch lebende Utricularia-Arten, die sogar echte Blätter über dem Substrat ausbilden, wie der großblättrige Wasserschlauch (Utricularia calycifida). Diese Arten wachsen meist in dauerfeuchten oder überschwemmten Böden. Auch wenn sie im Boden verankert sind, besitzen sie keine echten Wurzeln, sondern sogenannte „Rhizoide“, die nicht der Nährstoffaufnahme dienen.

 

Es gibt auch epiphytische Wasserschläuche, die auf anderen Pflanzen wachsen. Einige Arten leben in dem von Bromelientrichtern aufgefangenen Regenwasser oder im Moos sowie auf der Rinde von Bäumen in tropischen Nebelwäldern, wie zum Beispiel Utricularia asplundii aus Kolumbien.

 

Auch die Blüten der verschiedenen Utricularia-Arten variieren stark in Form und Farbe, was die Vielfalt dieser faszinierenden Pflanzengattung weiter unterstreicht.

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